Trauer ist individuell

Trauer ist ein sehr individueller Prozess, mit dem jeder Mensch anders umgeht.
Fünf Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross:
Phase 1: Leugnen
Phase 2: Zorn
Phase 3: Verhandeln
Phase 4: Depression
Phase 5: Akzeptanz
Auch diese Phasen sind bei jedem/r Betroffenen unterschiedlich lang. In den meisten Fällen gehen sie über das allgemein übliche Trauerjahr weit hinaus. Was häufig problematisch ist, denn wenn sich Trauernde mit ihren Kernfragen beschäftigen, ist ihre Umwelt längst zu ihrem Alltag zurückgekehrt.
Wichtig für Trauernde ist es, alle Gefühle zuzulassen, sie sich zuzugestehen und sich Zeit zu nehmen. Ein Bewusstsein zu entwickeln für Bedürfnisse, sich selbst ernst zu nehmen.
Und vor allem, den Mut haben, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn man das Gefühl hat, in einer der Trauerphasen festzustecken und/oder den Lebensmut zu verlieren.

Trauer nach einem Selbstmord

Eine ganz spezielle Form der Trauer erleben wir bei Selbstmord. Wenn sich ein Mensch in unserer Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis das Leben genommen hat, erfasst uns ein intensiver Strudel der Gefühle.
Die Phase des Schocks, der Erstarrung über das Unvorstellbare, das aber dennoch geschehen ist, kann deutlich länger dauern. Das ist eine Schutzreaktion, denn Körper, Geist und Seele realisieren das Geschehene erst dann, wenn sie es ertragen können. Irgendwie…
Zur Trauer über den Verlust kommen Schuldgefühle, die Fragen, warum wir es nicht verhindern konnten, ob es ganz frühe Anzeichen gab, die wir überfühlt haben und, und, und. Diese Fragen können uns unter Umständen noch Jahre oder Jahrzehnte später immer noch beschäftigen, wenn auch nicht mehr so quälend wie in der Akutphase.
Dazu kommt Scham. Wir fürchten die Reaktionen und Fragen unserer Mitmenschen, die häufig – ungewollt – ungeschickt und taktlos sind anstatt hilfreich. Ein Suizid löst Hilflosigkeit aus. Und anstatt einfach schweigend für die Trauernden da zu sein und zu sagen, dass mein gerade keine Worte findet, reden sich einige Menschen um Kopf und Kragen. Ohne kränkende Absicht natürlich.
Wut. Dieses Gefühl gestehen sich die Hinterbliebenen oft über eine lange Zeit überhaupt nicht zu. Dabei ist die Wut sehr wichtig. Wir dürfen wütend auf den Menschen sein, der lieber ohne uns als mit uns leben wollte. Aus welchen Gründen auch immer. Darüber hinaus ist Wut im Gegensatz zur Depression ein vitales Gefühl. Wut katapultiert uns ein Stück weit aus der Erstarrung ins Leben zurück.
Ein Selbstmord bedeutet für die Zurückgelassenen ein schweres traumatisches Ereignis, das ihr Leben für immer prägen und beeinflussen wird. Zum Beispiel durch ein schwaches Selbstwertgefühl. „Ich war es nicht wert, dass sie/er am Leben geblieben ist“. Oder durch das Bedürfnis, Menschen/Dinge zu kontrollieren. Sich mit Abschieden jeglicher Art schwer zu tun kann auch eine Folge des Traumas sein.
Dennoch ist es möglich, das Geschehene behutsam und heilsam in unser Leben zu integrieren, das sicher anders ist als „vorher“, aber immer noch lebenswert.

Die ‚leere Zeit‘ dazwischen

Manchmal müssen wir eine ‚alte‘ Tür schließen, damit sich eine neue öffnen kann.
Wenn nur die Zeit dazwischen nicht wäre! Denn es ist ja nicht so, dass wir die eine Klinke in der rechten und die andere in der linken Hand hätten und beide gleichzeitig drücken könnten. Nö, leider nicht!
Wir brauchen die ‚leere Zeit‘ dazwischen, um abschließen zu können, um uns ehrlich einzugestehen, dass sich die alte Tür schon lange – also eigentlich ziemlich lange – nicht mehr richtig öffnen ließ. Obwohl wir es mit allen möglichen und unmöglichen Hilfsmitteln probiert haben.
Um dann endlich, endlich loszulassen. Vielleicht rutschen wir erst mal langsam an der alten Tür runter und sitzen mit dem Rücken angelehnt und lauschen. Ob wir nicht doch noch etwas dahinter hören…
Bis wir dann aufstehen und leichteren Herzens in die leere Zeit gehen, die dann gar nicht mehr so leer ist uns jetzt schon die Richtung zu unserer neuen Tür weist.

Ohne das Kind mit dem Kind leben

Wenn ihr Wunschkind unterwegs ist, sind die werdenden Eltern voller Freude und ‚guter Hoffnung.‘
Doch manchmal nimmt diese gute Hoffnung ein jähes Ende. Das Baby stirbt noch im Mutterleib, unter der Geburt oder kurz danach.
Das Unfassbare zu begreifen fällt schwer. Dazu kommen oft gut gemeinte Sätze wie „Ihr seid noch jung und könnt noch viele Kinder haben“, die alles andere sind als ein Trost. Hat man doch sofort Pläne mit dem Baby geschmiedet, sobald der Schwangerschaftstest positiv war.
Trost gibt es in der ersten Zeit auch gar nicht. Die Trauer ist unermesslich. Betroffene Eltern tun sich zusätzlich häufig schwer gemeinsam zu trauern. Jede Trauer ist anders, und Männer und Frauen trauern sehr unterschiedlich. So kann es zu einer Beziehungskrise kommen, in der sich jeder Partner unverstanden fühlt.
In meiner Praxis habe ich viele verwaiste Eltern mit behutsamen Gesprächen durch diese schwierige Zeit begleitet. Oft auch durch eine Folgeschwangerschaft, die immer mit Ängsten belastet ist.
Durch eigene Betroffenheit ist mir diese Thematik nicht nur vertraut, sondern liegt mir auch besonders am Herzen. Ich biete dir/euch einen geschützten Raum für Trauer, Verzweiflung und Wut – aber ganz sicher auch für neue Hoffnung.