Trauer nach einem Selbstmord

Eine ganz spezielle Form der Trauer erleben wir bei Selbstmord. Wenn sich ein Mensch in unserer Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis das Leben genommen hat, erfasst uns ein intensiver Strudel der Gefühle.
Die Phase des Schocks, der Erstarrung über das Unvorstellbare, das aber dennoch geschehen ist, kann deutlich länger dauern. Das ist eine Schutzreaktion, denn Körper, Geist und Seele realisieren das Geschehene erst dann, wenn sie es ertragen können. Irgendwie…
Zur Trauer über den Verlust kommen Schuldgefühle, die Fragen, warum wir es nicht verhindern konnten, ob es ganz frühe Anzeichen gab, die wir überfühlt haben und, und, und. Diese Fragen können uns unter Umständen noch Jahre oder Jahrzehnte später immer noch beschäftigen, wenn auch nicht mehr so quälend wie in der Akutphase.
Dazu kommt Scham. Wir fürchten die Reaktionen und Fragen unserer Mitmenschen, die häufig – ungewollt – ungeschickt und taktlos sind anstatt hilfreich. Ein Suizid löst Hilflosigkeit aus. Und anstatt einfach schweigend für die Trauernden da zu sein und zu sagen, dass mein gerade keine Worte findet, reden sich einige Menschen um Kopf und Kragen. Ohne kränkende Absicht natürlich.
Wut. Dieses Gefühl gestehen sich die Hinterbliebenen oft über eine lange Zeit überhaupt nicht zu. Dabei ist die Wut sehr wichtig. Wir dürfen wütend auf den Menschen sein, der lieber ohne uns als mit uns leben wollte. Aus welchen Gründen auch immer. Darüber hinaus ist Wut im Gegensatz zur Depression ein vitales Gefühl. Wut katapultiert uns ein Stück weit aus der Erstarrung ins Leben zurück.
Ein Selbstmord bedeutet für die Zurückgelassenen ein schweres traumatisches Ereignis, das ihr Leben für immer prägen und beeinflussen wird. Zum Beispiel durch ein schwaches Selbstwertgefühl. „Ich war es nicht wert, dass sie/er am Leben geblieben ist“. Oder durch das Bedürfnis, Menschen/Dinge zu kontrollieren. Sich mit Abschieden jeglicher Art schwer zu tun kann auch eine Folge des Traumas sein.
Dennoch ist es möglich, das Geschehene behutsam und heilsam in unser Leben zu integrieren, das sicher anders ist als „vorher“, aber immer noch lebenswert.